[dropcap size=small]D[/dropcap]ie Fatal Frame Spieleserie, auch bekannt unter dem Namen Project Zero, hat eine weitere Fortsetzung gefunden. Mit dem dritten Teil nimmt sich das Entwicklerteam abseits der ausgetretenen Pfade von Genreleitbildern wie Silent Hill oder Resident Evil wieder einmal der Welt der Mythen und Geister an und schickt neben der neuen Protagonistin auch aus den Vorgängern bekannte Figuren in das Haus der Träume.

„Ich, ich hab´ mir das nicht ausgesucht. Ich hab´ nicht überlebt, weil ich das wollte. Ich hatte keine Wahl. Oh wenn ich nur gestorben wäre, wenn ich doch nur mit den anderen zusammen gestorben wäre…“

Vorsichtig tastet sich Rei an der modrigen Holzverkleidung des Ganges entlang. Ihr blickt fällt auf die junge Frau, die sich dort zwischen alten Schränken in eine Ecke gekauert hat und vor Angst zittert. Rei hat ihre Stimme schon oft gehört, seit es begonnen hat. Seit sie jede Nacht im Schlaf in den Tiefen dieses rätselhaften Herrenhauses herumirrt. Inzwischen weiss Rei, dass das Haus der Träume mehr ist als nur ein Hirngespinst. Sie weiss, dass die Frau zu ihren Füssen Yoshino Takigawa heisst und einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes ist, sie vier Tage unter den Opfern lag, bevor sie gefunden und in ein Krankenhaus gebracht wurde. Und sie weiss, dass er hier ist. Irgendwo hier, wo die Welt der Lebenden und der Toten sich überkreuzen, wird sie ihn finden. Yuu.

Fatal Frame für Einzelkinder

Protagonistin des Spiels ist Rei Kurosawa, eine freiberufliche Fotografin, die ihren Verlobten Yuu Asou bei einem Autounfall verloren hat. Auf regennasser Strasse verlor sie die Kontrolle über ihren Wagen und überschlug sich. Um mit ihrer Trauer fertigzuwerden, stürzt sich Rei in die Arbeit. Folklore und Philosophie waren die Spezialgebiete ihres Verlobten, und so steht Rei zwei Monate später in einem verfallenen Haus und macht Aufnahmen für ein Buch über die Legenden der Bergregion. Als sie meint, Yuu durch den Sucher zu erblicken, glaubt sie erst nur an eine Halluzination. In der Dunkelkammer wird sie jedoch eines besseren belehrt. Das auf dem Foto ist tatsächlich ihr verstorbener Verlobter. Im Laufe des Spiels erhält der Spieler noch die Kontrolle über zwei weitere Charaktere. Zum einen ist das Miku Hanasaki, ihre Assistentin und Freundin. Miku wohnt mit Rei unter einem Dach und erledigt die Nachforschung anhand von Indizien, die Rei ihr übergibt. Zum anderen ist das Kei Amakura, ein Freund von Yuu, der nach dem Haus der Träume forscht, seit seine Cousine in ein rätselhaftes Koma gefallen ist.

Wer sich bereits mit den anderen Teilen auseinandergesetzt hat, kann nach dem ersten Anspielen leicht zu dem Schluss kommen, dass die grösste Neuerung ist, dass es diesmal nicht um ein Geschwisterpaar geht. Fatal Frame für Einzelkinder sozusagen. Und in der Tat, die Handschrift der Reihe ist deutlich zu sehen. Im Gegensatz zu anderen Survival Horror Titeln erwehren sich die Figuren ihrer Haut nicht mit einem Arsenal von Nah- und Distanzwaffen, sondern sind mit lediglich mit einer magischen Kamera und Filmen von unterschiedlicher Wirkungskraft ausgestattet. Zum Zielen wechselt das Spiel von der Verfolger- in die Egoperspektive. Je länger man den Gegner im Focus behält, desto stärker wirkt der ausgelösste Schuss. Am effektivsten ist es sogar, bis kurz vor knapp zu warten, denn dann kann man den namensgebenden Fatal Frame auslösen, der besonders viel Schaden anrichtet. Mit der entsprechenden Zusatzlinse kann man dem Gegner sogar mehrere dieser Spezialschüsse hintereinander verpassen. Durch den Perspektivwechsel kann man auch nicht länger die Bereiche hinter der Spielfigur einsehen, gerade bei mehreren Gegnern muss man sich dadurch oft drehen und versuchen Geschwindigkeit und Bewegungsmuster der Geister vorherzuahnen. Gerade durch den Umstand, dass Geister meist wenig Rücksicht auf Wände, Hindernisse und Höhenunterschiede nehmen müssen, ist das schwieriger als bei anderen Vertretern des Genres. Natürlich hat man dadurch den Vorteil, durch seine Wiedersacher oft auch einfach hindurchrennen zu können, um wertvollen Abstand zu gewinnen.

Neben aggressiven Geistern bannt man mit der Camera Obscura auch andere Erscheinungen, die nur zur Atmosphäre beitragen. Die Fotopunkte, die man dafür erhält, kann man zum Ausbau der Kamerafähigkeiten verwenden.
Für den Neueinsteiger in Fatal Frame wird warscheinlich die Geschwindigkeit der Charaktere am gewöhnungsbedürftigsten sein, in kaum einen Genrevertreter ist der Spieler so langsam zu Fuss. Aufgrund des allgemein eher gemächlichen Tempos führt dies aber kaum zu Problemen. Typisch für die Reihe ist auch, dass die Spielwelt sehr kompakt ist. Einen Großteil der Spielzeit verbringt man in einer sich nur langsam erweiternden Umgebung, die Räume werden für eine Vielzahl von Rätseln genutzt. Neben der Traumwelt gibt es auch das Haus von Rei in der wirklichen Welt. Ähnlich wie in „Silent Hill 4“ kommt der Spieler immer wieder hierhin zurück, um spezielle Aufgaben zur erledigen. Hier kann Rei Photos entwickeln, in Yuus Zimmer nach Büchern stöbern oder Miku mit Indizien versorgen, die Katze streicheln (!), und ähnliches. Wie die Räumlichkeiten ihres Genrekollegen Henry Townsend greift die andere Seite dann und wann auch auf Reis vier Wände über, so dass man im Spielverlauf mehr als eine gruselige Überraschung erlebt.

Ein Plädoyer für mehr Kommunikation

Die Szenen in Reis Haus gehören zu den grössten Schwachpunkten des Spiels. Während man die Atmosphäre in der Traumwelt geradezu mit dem Messer schneiden kann, bricht die Illusion in der wirklichen Welt doch recht schnell zusammen. Reis Assistentin steht oft wie festgenagelt in der Landschaft herum, und solange es nicht um Indizien geht, wirken Gespräche zwischen den beiden oft gestelzt und zusammenhanglos. Mit der Freundschaft scheint es zwischen den beiden auch nicht weit herzusein, denn obwohl Rei weiss, dass dass auch Miku und Rei nach jemanden im Haus der Träume suchen, redet sie eigentlich nie über diesen Ort. Auch die erwähnten Gruselüberraschungen scheinen nicht wirklich Eindruck zu hinterlassen. Ich meine, Miku wird die blutigen Handabdrücke auf dem Spiegel ja schon selbst bemerken, wozu dann unnötig Worte darüber verlieren? Immerhin haben die Designer darauf geachtet, dass der Wechsel zwischen den Handlungsorten nicht, wie im schon erwähnten „Silent Hill 4“, zu einer Tortur ausartet. Sobald der Spielfortschritt es erfordert, wacht Rei von ganz allein wieder auf, auch wenn das Herrenhaus an manchen Stellen auch so verlassen werden kann. Der Wiedereintritt in die Traumwelt wird jedes mal durch einen langsamen Kameraschwenk, unterbrochen von kurzen, abgehakten Videosequenzen, eingeleitet, um den Spieler gleich wieder richtig einzustimmen.

Die Technik stimmt

Technisch reizt „Fatal Frame 3“ die doch langsam in die Tage gekommene PS2 wirklich gut aus. Schöne Texturen, liebevolles Design, interessante Architektur und geschmeidige Bewegungsabläufe erfreuen das Auge. Besonders später im Spiel bekommt der Spieler oft sehr stimmungsvolle Spezialeffekte zu sehen, wie das Miasma, dass die Umgebung fast monochrom erscheinen lässt und die Finsternis in der Luft spürbar macht. Auch die Soundgestaltung weiss zu überzeugen. Die Musik besteht hauptsächlich aus atmosphärischen Stücken, nur in Cutscenes spielen sich die Themen deutlicher in den Vordergrund. Der Einsatz von J-Pop im Abspann sei den Entwicklern verziehen. Dafür wird das Lied der Schreinmädchen vielen Spielern in Erinnerung bleiben. Die Effekte sind sehr sorgfältig ausgewählt und mit Bedacht eingesetzt. Das Voice Acting ist ein etwas zweischneidiges Schwert. In wenigen Szenen klingen die Stimmen, als würden die Sprecher in einen Eimer sprechen. Dieser Effekt scheint gewollt und war auch in den ersten beiden Teilen vorhanden – der Sinn hat sich mir zwischendurch nicht weiter erschlossen. Für eine Mittzwanzigerin ist Rei eigentlich auch fehlbesetzt, die Stimme klingt eindeutig älter und strahlt somit eine Reife aus, die Rei als Unfallfahrerin und orientierungslose Seele eigentlich nicht haben sollte. Wie auch an die die oben erwähnten Schwächen gewöhnt man sich an diese kleineren Abstriche allerdings schnell. Aller Voraussicht nach wird auch die europäische Version nur englische Sprachausgabe bieten, nur die Untertitel werden eingedeutscht. Die Rätsel sind gute Hausmannskost, nicht allzu innovativ, aber ein paar nette Grübeleien sind dabei. Man muss zwar hier und da mal eine Kiste verschieben, doch geht es dabei mehr darum mit dem richtigen Charakter an der richtigen Stelle zu sein, anstatt den Kistenschiebklassiker Sokoban wieder aufleben zu lassen.

Fazit? Kaufen!

„Fatal Frame 3“ bereichtert das Genre eher durch das unverbrauchte Szenario auf statt durch innovative Spielelemente. Aber wenn ihr nicht mehr erwartet als ein verdammt atmosphärisches Survival Horror Spiel, werdet ihr nicht enttäuscht werden. Die Rezension bezog sich auf die US-amerikanische Version des Spiels, inhaltlich werden allerdings für das Europarelease keine Änderungen erwartet.

Project Zero 3: The Tormented
audiovisuelle Präsentation9
Realisierung der Spielmechanik8
inhaltliche Gestaltung und dramaturgische Aufbereitung8
8.3Gesamtwertung
Leserwertung: (0 Votes)
0.0