[dropcap size=small]J[/dropcap]eder kennt sie die postmodernden Teenie-Horror-Filme, deren Ära von „Scream“ eingeläutet wurde und die es nach bereits kurzer Zeit wie Sand am Meer zu finden gab. Jetzt wo die Welle solcher Kino- und Videopremiere-Gurken zu recht langsam abebbt, liefert MC2 zusammen mit Hydravision einen Survival Horror-Titel im Stile solcher Streifen. Halt, weiterlesen! Denn „Obscure“ ist weitaus besser, als die meisten von euch vermuten würden.

Am Anfang steht – wie sollte es anders sein – die perfekte Highschool mit riesiger Bibliothek, einem sauberen Campus und einer edel ausgestatteten Turnhalle, in der wir bei ein paar Basketballübungen die Schüler Kenny, Sharon, Stan und Josh kennenlernen. Nach etwas Smalltalk und Handlungsgeplänkel bleibt die Sportskanone Kenny noch immer körbewerfend in der Halle zurück. Als die Abendstunden hereinbrechen und er duschen gehen möchte, wird ihm während eines Telefonates via Handy mit seiner Freundin Ashley quasi hinter dem Rücken die Tasche geklaut. Schnurstracks geht er dem garstigem Dieb nach und findet sich bald in einem düsterem Kellergewölbe unter der Schule wieder und begegnet dort nicht nur einem als vermisst gemeldeten Schüler, sondern auch kurioserweise allerlei monströsen Getier. Die Suche nach dem Taschendieb wird schnell zur Flucht aus der Gefahrenzone, doch dummerweise werden die beiden von irgendjemanden eingekehrkert – herzlich Willkommen an der Leafmore Highschool.

Klassenprimus im Fach „Inzenierung“

Kenny`s aufgeweckten Freunden fällt sein Verschwinden selbstverständlich am nächsten Tag auf und so machen sich die vier auf die Suche nach ihrem Schulkameraden. Bei ihren privaten Ermittlungen auf dem Schulgelände begegnet ihnen ebenfalls allerhand seltsames Getier, deren Ursprung zunächst einmal ungeklärt bleibt. Das ist gut so, denn auf die Art kann „Obscure“ so langsam Spannung aufbauen und einen seiner grössten Trümpfe auspielen: Der Inzenierung.
Den Machern des Spieles ist es hervorragend gelungen die Atmosphäre besagter Teenie-Horror-Filme einzufangen und spielen mit allen zu erwartenden Klischees, die an allen möglichen Ecken und Enden auf liebevolle Art eingebaut wurden. Ob nun Charaktere, Setting, Geschichte oder einfach nur kleine Gags: Meisterlich bewegt sich das Spiel in seinem Umfeld und wirkt trotzdem nie aufgesetzt. Gerade weil die Entwickler mit so viel Liebe zum Detail vorgegangen sind, sind die im Film-Genre überdrüssigen Elemente im Survival Horror erfrischend. Leider ist die Story doch ein Quentchen zu linear ausgefallen. Die eine oder andere Wendung hätte die Vorhersehbarkeit gemindert.

Die Präsentation arbeitet dabei hervorragend Hand in Hand mit der Inzenierung. Sämtliche Areale der Highschool sind sehr detailliert und authentisch gestaltet. Dabei gleicht kein Raum dem anderen und die cinematisch sehr gelungene Kamera fängt die Umgebung auf eine meist übersichtliche, aber immer interessante Art ein. Auch das Auftreten der Monster ist sehr schön in Szene gesetzt worden: Wann immer eine der lichtempfindlichen Kreaturen auf irgendeine Art die Umbegung berührt, so färbt dieser sie mit einer „dunklen Aura“ ein. Wird an der Ecke dort vorne der Boden seltsam dunkel und moderig, können wir uns sicher sein einen Widersacher zu begegnen. Schade ist, dass das Gegnerdesign einen Tacken zu obskur ausgefallen ist, denn in der Ansammlung von mutierten, zusammengewachsenen Fleischteilen einen funktionierenden Körper zu sehen, fällt anfangs etwas schwer.

Meisterschüler in Sachen Präsentation

Genrell haben die Entwickler, was die Technik betrifft, ihre Hausaufgaben gemacht. Die in Echtzeit berechnete 3D-Optik kommt nicht nur mit sehr detaillierten Umgebungen, sondern auch erstklassigen Texturen, tollen Licht- und Schatteneffekten und gelungenen Animationen daher. Ins Stottern kommt die Engine lediglich auf der PS2 an ein paar wenigen Stellen und auf dem PC sind Zocker sicherlich etwas mehr Effektzauber gewohnt. Trotzdem kann niemand an keiner Stelle im Spiel behaupten, das Spiel sehe schlecht aus. Die großartige Feinarbeit der Entwickler ist an fast jeder Stelle offensichtlich.

Als wenn die Grafik nicht schon gut genug wäre, setzt der Soundtrack nochmal einen oben drauf. Wird im (gerenderten) Intro noch Highschool-Rock gespielt, so überrascht das Spiel bereits nach kurzer Zeit mir sehr hochwertigen klassischen Stücken, die etwa zur Hälfte sogar mit einem professionellem Chor bereichert wurden. Ob traurig, panisch oder bedrohlich: Die musikalische Begleitung findet in jeder Situtation den passenden Ton und wird dabei von nicht minder gelungenen Soundeffekten unterstützt. Ob Schreie, Schürfen, Krabbeln oder einfach nur ein merkwürdiges Geräusch, in allen Kategorien hat der Soundtechniker ein goldenes Händchen gehabt. Lediglich die Waffen klingen stellenweise eher wie Feuerwerkskörper und auch die an sich gelungene deutsche Synchronisation hat mit Ashelys Stimme eher einen Fehlgriff gelandet. Mal abgsesehen von diesen beiden Punkten ist die Akustik von „Obscure“ sehr bemerkenswert.

Abgucken erlaubt: Prüfungen zu zweit lösen

Spielerisch gesehen orientiert sich „Obscure“ zunächst einmal an den Grundsätzen des Genres und baut somit zu allererst das ein, was man von einem Survival Horror-Spiel erwarten würde. Es wird erforscht, geschossen und gerätselt, doch wirklich bemerkenswert dabei ist, wie ausbalanciert und gut der Spielfluss gehalten wurde. Man wird nie mit reinen Gegnerscharen bombadiert, bekommt immer nachvollziehbare Aufgaben gestellt und wird niemals unnötig durch die Weltgeschichte gescheucht. Erst recht bemerkenswert dabei ist das kooperative Gameplay, dass sehr gut mit der KI und noch besser mit einem zweiten Spieler funktioniert, der jederzeit zum Pad greifen darf. Spielt man alleine, kann man jederzeit zwischen den Charateren wechseln und sich deren spezielle Eigenschaften zu nutzen machen. Stan kann beispielsweise recht flott Schlösser knacken, während Sharon ihre Freunde bessser heilen kann. Die Spezialfähigkeiten der Figuren fallen nicht allzusehr für den Spielverlauf ins Gewicht, können aber die eine oder andere Situation erleichtern. Losgezogen wird grundsätzlich nur in 2er-Teams, während die anderen Schüler an einem Sammelplatz warten. Die Teamzusammenstellung und die Verteilung der Items bzw. Waffen können inviduell gemixt werden. Im Todesfall wird solange weitergespielt, bis kein Schüler mehr übrig ist.

Macht das Gruseln mit der gut agierenden KI alleine schon viel Spass, ist das Daddeln mit einem zweitem menschlichen Mitspieler ein geradezu freudiges Spielerlebnis. Bedachtes Vorgehen ist gerade in Kampfsituationen Pflicht und es macht sehr viel Laune sich gegenseitig den Rücken freizuhalten, etwa wenn der eine das ganze Getier mit Taschenlampe und Pistole verscheucht, während der andere dabei ist eine Tür aufzubrechen. Überraschend ist, dass das Coop-Gameplay trotz der cinematischen Kameraführung gut funktioniert.

Das Lernmaterial immer parat

Bei all dem Lob darf die Steuerung nicht vergessen werden. Ärgerlich ist zunächst, dass die Laufrichtung des Charakters sich an der aktuellen Bildschirmposition orientiert und bei jedem Kamerawechsel auch die entsprechende Richtung auf dem Eingabegerät korregiert werden muss. Umstellen kann man in den Optionen diesbezüglich nichts und so dürfte es daher manchen Spieler, der andere Steuerungsarten gewöhnt ist, vor kleinere Schwierigkeiten stellen. Völlig ohne Makel ist allerdings die Itemverwaltung. Egal ob man auf einen Gegenstand oder eine Waffe zugreifen möchte: Die Entwickler haben auf den Umweg über ein Menü verzichtet und ein sehr komfortables und durchdachtes On-Screen-Menü eingebaut, mit dem man sogar in hektischeren Situtationen auf das Wichtigste zugreifen kann. Während Waffen inviduell von jedem Charakter getragen werden, haben alle gleichzeitig auf ein und dasselbe Itemmenü Zugriff. So kann man sich nervigen Transfer sparen. Die Karten sind ebenso überschaubar wie die verwendbaren Befehle an den KI-Partner. Letzere braucht man übrigens in den seltensten Situationen, da sie, wie bereits erwähnt, gut reagiert.

Keine hohen Anforderungen des Lehrkörpers

Betrachtet man die bisherige Rezension, so fragt man sich, ob es überhaupt noch etwas auf der grossen Negativliste gibt. Leider ja, denn so gut die technische Seite des Spieles ist, so ausgefeilt das Gameplay und vor allem der 2-Spieler-Modus auch sein mag und so gelungen und liebevoll inzeniert die Atmosphäre des Spieles ist: Es hakt an zwei gravierenden Punkten, dem Schwierigkeitsgrad und der Länge.
Vom ersterem stehen zwar drei unterschiedliche zur Auswahl, aber selbst auf der schwersten werden mittelbegabte Zocker nach knapp sechs Stunden den Abspann zu sehen bekommen. Das ist selbst im Survival Horror-Genre zu wenig und freischaltbare Goodies wie neue Kostüme, Waffen oder Making-Of trösten nur geringfügig darüber hinweg. Das Schöne daran ist wenigstens, dass „Obscure“ für Genre-Einsteiger besonders geeignet ist.

 

 

Obscure
Gelungener, augenzwinkender Survival Horror im Stil postmodener Teenie-Horrorfilme, der mit großartiger Musik von Olivier Derivière und einem gelungenem Coop-Modus aufwarten kann.
audiovisuelle Präsentation9
Realisierung der Spielmechanik8
inhaltliche Gestaltung und dramaturgische Aufbereitung9
8.7Gesamtwertung
Leserwertung: (1 Judge)
9.0