Licht.
Etwas Licht bahnt sich den Weg durch die Jalousien und färbt den Raum blau.
Das endlose Geräusch einiger Autos, die sich jetzt schon durch das Örtchen schieben als wäre es Rush Hour in einer Großstadt.
Ed blinzelt ein paar mal und dreht sich auf den Rücken. „Warum immer ich?“, stöhnt er, während er die Risse in der Decke betrachtet.
„Ich hasse es.“
Wenn sein Geburtstag auf einen Werktag fällt, das hasst er. Es war letztes Jahr so. Und Vorletztes. Und die Jahre davor auch. Soweit er sich erinnern kann. Er hasst es in der Schule und im Bus angesprochen zu werden. Die Leute fangen dann immer so einen blöden Smalltalk an. Und es reden Leute mit ihm mit denen er sonst kein Wort wechselt. Das hasst er auch. Doch das allerschlimmste…
„Oh, Fuck … achtzehn …“
Er bedeckt sein Gesicht mit den Händen, stöhnt und strampelt mit den Beinen wie ein Kleinkind das auf irgendetwas wütend ist.
„Ach Mann, was soll’s …“, sagt er zu sich selbst und schwingt sich aus dem Bett.
Darauf vorbereitet was ihn erwartet, betritt er die Essdiele.
„HAPPY BIRTHDAY!“
Natürlich ist die ganze Familie schon wach und hat kichernd auf Ed gewartet.
„Komm her, mein 18-jähriger Sohn!“, sagt der stolze Vater mit ausgebreiteten Armen. Ed geht zögerlich auf ihn zu und umfasst seinen Dad. Es kommt ihm etwas komisch vor. Er hat seinen Vater schon sehr lange nicht mehr umarmt. Überhaupt ist er überrascht, dass er weiß wie alt sein Sohn geworden ist. Jedoch interessiert sich Ed viel mehr für die Geschenke die im Wohnzimmer auf dem Couchtisch ein buntes Häufchen bilden.
Nachdem alle umarmt und sich bei jedem bedankt wurde gibt es Frühstück und schon muss Ed zum Bus. Er hätte lieber ein paar seiner Geschenke aufgemacht…
Weil nicht mehr viel Zeit bleibt, springt er in seine Dockers Sports (die er sowieso nie zumacht), wirft sich seine dicke Jacke drüber inklusive Rucksack (nicht für den heutigen Unterricht gepackt) und rennt aus dem Haus.
„Fuck, Fuck, FUCK!“ Der Bus steht schon da. Ed rast über die Straße ohne zu kucken ob Autos kommen und erreicht noch die Vordertür des RPT-Bus. Er zeigt dem unbekannten, jungen Busfahrer sein Ticket und wirft sich vom Sprinten erschöpft auf einen Platz am Fenster, sein Rucksack auf den freien Sitz daneben. Er atmet einmal durch, und sieht sich um. Er muss grinsen. Perfekt. Niemand da den er kennt. Das heißt keine Konversation. Der Bus ist heute sogar angenehm leer. Also gibt es auch keine kloppenden Kinder und nur ein paar Jugendliche die einen zu lauten Walkman haben.
Der Bus fährt los.
Es sind 17 Kilometer von seiner Haltestelle bis zur Schule.
Das dunkle, blaue Etwas, dass Ed durch die beschlagenen Fenster des Busses sieht macht ihn müde. Es fällt ihm schwer seine Augen offen zu halten. Als der Bus das Ringvalley erreicht, durchfahren sie, wie immer im Herbst, einen dichten Nebel, sodass der Busfahrer etwas Gas wegnimmt.
Ed kommt es wie eine Ewigkeit vor, ausserdem ist er so verdammt müde.
„Naja, wird heute wohl besonders neblig sein.“ denkt er unbekümmert und öffnet seinen Rucksack um nachzusehen, was er heute für Unterricht hat: „Scheisse, die Zigeunerin!“ Seine Mathelehrerin. Er nennt sie die Zigeunerin, weil sie immer in bunten Klamotten und geschmacklosen (und ebenso bunten) Ohrringen rumläuft. Ihm graut es schon davor heute wieder einen Strich inklusive Standpauke zu bekommen, da er, wie üblich, keine Hausaufgaben gemacht hat. „Und der Jones. Na super.“ Geschichte. Sein absolutes Hass-Fach. „Hoffentlich überprüft der nich die Ha—“
Er kann nicht zuende denken, da plötzlich ein in den Ohren schmerzender Lärm den Bus füllt.
Es hört sich an, wie ein großes Erdbeben (er hatte noch nie eins miterlebt), aber irgendwie technischer.
Ein technisches Grummeln und Rattern.
Der Busfahrer steigt auf die Bremsen, sodass Ed in den Vordersitz gedrückt wird und er in den Fußraum fällt. Die anderen Passagiere, vor allem die jungen Mädchen, schreien auf, weil sie ebenso durch den Bus geschleudert wurden. Die Lampen im Bus erlischen.
Der Bus kommt zum stehen.
Ed sieht den Inhalt seiner Schultasche über den ganzen Boden verstreut. Er hält sich am Sitz fest und zieht sich wieder nach oben.
In den hinteren Reihen erkennt er die anderen, hinter den Rückenlehnen kauernden oder verwirrt umherschauenden Kids.
Das Geräusch ist weg.
„Was … zur Hölle …. war DAS?!“, stammelt Ed. Stille. „K-keine Ahnung!“, flüstert der Busfahrer von vorne. Ed dreht sich um: „Was war das für ein Geräusch?“ Eins der Kids ruft „Hörte sich an wie eine Explosion.“ „Nein, eher … eher wie ein Erdbeben.“ sagt Ed leise.
Ein junger Typ, der aus einem Fenster kuckt ruft: „Könnt ihr was sehen?“ Ed geht auch zu einem Fenster.
“ … so dunkel …“
Plötzlich erhellt ein heißes, gleißendes Licht den Bus. Ed wird vollständig geblendet. Es tut weh. Er verdeckt seine Augen, weicht vom Fenster zurück und schreit: „Aaah! Meine Augen! Scheisse!“
Der ohrenbetäubende Lärm ist wieder da. Jetzt klingt er allerdings wie ein stechendes Piepen, oder wie das Jaulen tausender Wölfe.
Ed hält sich nun die Ohren und drückt seine Augen so fest zu, wie er nur kann. Gedämpft hört er immernoch das Fiepen und das Schreien und Quietschen der anderen Kinder. Er hört auch noch Geräusche die so klingen, als würde der Bus in einer aktivierten Strottpresse stehen. Er hat Angst, dass der Bus zerquetscht wird, kann aber nicht nachsehen, da das Licht seine Augen verbrennen würde. Er kann diesem Lärm nicht mehr standhalten. Er brüllt vor Schmerzen einen tiefen, kehligen Klageschrei heraus und wird bewusstlos.

„Heute ist mein … was?“
„Dein Geburtstag, Ed.“

to be continued …