Vor ein paar Jahren beglückte uns die amerikanische Filmschmiede mit dem Horrorstreifen “The Sixth Sense” und die Fachpresse sprach davon, dass der Drehbuchautor und Regisseur des Films M. Night Shyamalan frischen Wind in die US-Kinowelt bringen würde. Bei seinem ersten Werk wurde von einem “Durchbruch im psychologischen Horror-Genre” gesprochen. Und tatsächlich: Auch wenn Shyamalan die sehr hoch angesetzten Erwartungen nicht ganz erfüllen konnte, waren seine darauffolgenden Filme (Unbreakable, Signs) sehr feine Mysterystreifen, die aus der Masse der US-Filmproduktionen deutlich hervorstachen. Auch die Konkurrenz war von dem dramaturgischen Konzepten des neuen Sterns am Regiehimmel überzeugt und so erschienen eine Reihe inhaltlich ähnlicher Filme wie “The Mothman Prophecies” oder “The Others” auf der Leinwand, die von dem Publikum mit offenen Armen aufgenommen wurden. Was die wenigsten wissen: Shyamalan hat das Rad nicht neu erfunden, die eigentliche Quelle solcher psychologisch durchdachter Horrorfilme kommt mitnichten aus den Staaten, sondern aus Asien. Es ist kein Geheimnis, dass der amerikanischen Hexenküche die Ideen ausgegangen sind und händeringend nach Inspirationen gesucht wird. Während also der Horrorfilm in dem Land der unendlichen Möglichkeiten nach Auffassung der Szene in ein Tief gefallen ist, ist das asiatische Kino zur Höchstform aufgelaufen. Der Durchbruch im psychologischen Horror muss also um einige Längen- und Breitegrade verlegt werden. Der Einfluss an dieser Stelle ist großer als manche vielleicht zu denken wagen; sogar so groß, dass die Wachowski-Brüder zugeben müssen, dass sie sich für ihren Sci-Fi-Film “Matrix” von dem Anime “Ghost in the Shell” (R: Mamuro Oshii) haben inspirieren lassen. Im Grunde genommen hat man in Asien erkannt, dass die Zeit der Splatter- und Monsterfilme schon längst vorbei ist und während bei den großäugigen Nachbarn die Teenie-Slasherfilm-Welle die Kinos unter Wasser setze, begann man u.a. Shocker zu produzieren, die völlig ohne Bluteffekte auskamen und sehr stark von ihrer Atmosphäre und den Charakteren profitierten. Durchdachte, sehr verzickte Geschichten rund um Geistergestalten und alte Legenden, die manchmal sogar die Interpretationsfähigkeiten des Publikums beanspruchten, wurden fester Bestandteil solcher Filme. Ruhige, intensive Bilder haben vor blutigen Spezialeffekten Vorang; Andeutungen im Filmgeschehen reizen die Phantasie des Zuschauers. Das soll nicht heißen, dass von einem Schlag auf den anderen blutige Filme von der Bildfläche verschwunden sind, lediglich der Stellenwert solcher Effekte ist längst nicht mehr so hoch wie es früher einmal der Fall war, gleichzeitig erhalten auch schauspielerische Leistungen eine größere Rolle. Hollywood hat gerade im diesem Jahr bemerkt, wie verdammt gut die asiatischen Horrorstreifen doch sind und fängt nun an, sich Lizenzen zur diversen fernöstlichen Klassikern zu sichern. Problematisch wird das jedoch an dieser Stelle mit den Konventionen, durch die das amerikanische Filmgeschäft geprägt ist. Während die Asiaten für ihre Filme nahezu völlige Gestaltungsfreiheit genießen, haben US-Regisseure in der Regel mit den Studios zu kämpfen, wobei die wiederum mit dem Publikum zu schaffen haben. Tatsächlich wird dort von den Zuschauern ein bestimmter Rahmen erwartet, der bei Missachtung meistens in einem kommerziellen Misserfolg endet. Ein altbekanntes Beispiel ist zum Beispiel das berühmt berüchtigte “Happy End”, das es bei US-Filmen wie Sand am Meer gibt. So werden also auch asiatische Filme aus dem Bereich der Phantastik in der Remake-Fassung an die Konventionen gebunden sein. Kein Amerikaner kommt fühlt sich nach einem Film zufriedengestellt, wenn das Böse nicht besiegt wurde; keiner ist damit einverstanden, wenn die beiden Filmhelden kein Liebespaar werden. Das sind tatsächlich Klischee-Vorstellungen, doch wer im Kino den Kopf wach und die Augen offen hält, wird schnell feststellen, dass die gerade geschriebenen Sätze alles andere als nur dahingetippt sind. Da gerade hierzulande die amerikanische Filmkultur einen schon viel zu großen Einfluss hat, bleibt es an dem Filmfan sich die fernöstlichen Perlen zu besorgen. Wir alle Wissen, dass in Deutschland der Filmgeschmack sehr auf US-Movies eingestimmt ist und Filme aus anderen Ländern wenig Beachtung finden. Das gilt eben auch für asiatische Horrorfilme, die es höchstens in einem gut sortierten Importladen zu finden gibt; von einer Kinovorstellung kann nur geträumt werden. Die Vorurteile bei solchen Filmen sind auch groß. Angeblich seien sie billig gemacht und im höchsten Maße langweilig. Tatsächlich werden die Leute, die wirklich nur Blut und Action sehen wollen, sehr enttäuscht sein. Trotz dieser Unkenrufe kann ich euch versprechen: Dem ist nicht so! Asiatische Horrorfilme, die in die psychologische Kerbe schlagen, sind in jeder Weise anders und auch effektiver als die übliche Kost aus der Videothek nebenan. In meinem Herz nehmen solche Filme einen ganz besonderen Platz ein, weil die Produzenten hier nicht vergessen haben, gute Filme mit dem Film an sich und nicht mit vielen Special-Effects zu machen. Ich möchte Euch an dieser Stelle ein paar schöne Beispiele vorstellen, für den Fall, dass ihr neugierig geworden seid und diesen Filmen eine Chance geben wollt (auch wenn es nicht leicht ist an sie ranzukommen und sie meistens nicht syncronisiert sind, ergo: Untertitel): Ring (1998, R: Hideo Nakata): Ein Film, dem es in den letzten fünf Jahren gelungen ist langsam aber sicher an Ruhm zu gewinnen, ist “Ring”, der auch als “Ringu” bekannt ist. Die Geschichte dreht sich um ein mysteriöses Videoband mit alptraumhaften Bildern, bei dem jeder, der es zu Gesicht bekommt, nach sieben Tagen an einen ebenso mysteriösen Tot stirbt. Mehr von der Geschichte zu verraten wäre mehr als ungeschickt, gerade weil sie sich hervorrangend entwickelt und sich auch in dem nachfolgendem Film “Ring 2” sehr gut weitergesponnen wird. Im Grunde genommen handelt es sich hierbei um einen Literaturverfilmung nach einem Buch von Koji Suzuki (1990), zu dem erst 1995 ein Fehrnsehfilm erschien, der sich aber nach kürzester Zeit größter Beliebtheit erfreute und kurzerhand zu einem Kinofilm aufgepeppelt wurde, der 1998 die Box Office-Sensation in Japan, Hong Kong und Singapur überhaupt wurde. “Ring” wurde auf internationalen Film Festivals gezeigt, wo er so manche Filmpreise gewinnen konnte. 2002 erwarb das amerikanische Filmstudio “Dreamworks” die Rechte an einem Remake, dass in Deutschland am 13.02.2003 erscheinen wird. Bei so viel Erfolg bleiben Nachfolgerfilme natürlich nicht aus, und zu besonderer Überraschung ist zu sagen, dass sie alles andere als schlecht sind. Das Sequel “Ring 2: Spiral” weiss den Originalfilm in Sachen Schockeffekten locker zu überbieten und das darauffolgende Prequel “Ring 0: Birthday” beleuchtet Ereignnisse in der Vergangenheit und beantwortet so manche Fragen. Desweiteren erschienen noch ein vierter Film namens „The Ring Virus” und ein weiterer Ableger namens „Rasen”, allerdings habe ich beide noch nicht gesehen und kann leider nichts zu der Qualität sagen. Pulse (2001, R: Kiyoshi Kurosawa): Ein anderer Film, der sehr erfolgreich war und an dem Hollywood die Rechte an einem Remake erworben hat, ist “Pulse”, deren alternativer Titel “Kairo” oder “Circuit” ist. Der Film dreht sich um eine Gruppe junger Einwohner in Tokyo, bei denen eine plötzliche Serie von Suiziden ausbricht und nebenbei sehr seltsame Dinge geschehen. Ein Charakter sieht in Visionen ein Schattenspiel des Mordes an einem sehr guten Freund, bei einem anderen erscheinen merkwürdige, geisterhafte Bilder auf dem Computermonitor. Im welchen Zusammenhang stehen diese Ereignisse? Sind dies Botschaften aus dem Jenseits oder steckt dahinter noch mehr … oder doch weniger? Bei “Pulse” geht es in einigen Szenen schon etwas ruppiger zur Sache, jedoch verliert der Film dadurch nicht an Spannung und Faszination. Auch dieser Streifen hat auf internationalen Filmfestivals eine gute Figur gemacht. The Eye (2002, R: Pang Brothers): “The Eye”, auch bekannt als “Jian gui”, begeisterte erst dieses Jahr die Szene und konnte durch seinen eigenwilligen Stil (verwaschene Bilder, verstörende Geräusche) die Herzen vieler Fans gewinnen. Der Film handelt von einer von ihrer sehr frühen Kindheit an blinden Frau, die durch ein besonderes medizinisches Verfahren einer Augentransplantation Sehkraft verliehen bekommt. Die Protagonistin erfährt die Welt von nun an sprichwörtlich mit neuen Augen, jedoch muss sie nach einer Weile feststellen, dass sie aus irgendeinem Grund mehr sehen kann als andere … nämlich Dinge aus der Zwischenwelt. Tatsächlich ist die Idee in diesem Film nicht völlig neu, wurde doch das Thema in ähnlicher Weise schon von Shyamalan in “The Sixth Sense” verarbeitet. Jedoch ist bei “The Eye” die Art und Weise der Inszenierung eine andere, das Geschehen wirkt nervenaufreibender und verstörter. Hervorzuheben ist bei diesem Film auch die grossartige schauspielerische Leistung der Hauptdarstellerin. Dark Water (2002, R: Hideo Nakata): Yoshimi Matsubara kämpft um das Sorgerecht für ihre fünfjährige Tochter während beide als Übergangslösung in einem heruntergekommenen, dunklen Apartment wohnen. Durch den ganzen Stress um die Zukunft ihres Kindes völlig am Ende gewinnt Yoshimi mehr und mehr den Eindruck, sie würde im Apartment von lebendig gewordenen Wasser verfolgt werden, dass durch Decken und Wände zu siechen scheint. Nahezu gleichzeitig scheint auch eine mysteriöse kleine rote Tasche immer mehr eine Rolle zu spielen, da sie immer wieder an verschiedenen Orten auftacht … “Dark Water” profitiert ganz besonders von langen, hypnotisch wirkenden Kameraeinstellungen, die eine ganz, ganz düstere Stimmung erzeugen. Der Film stammt von dem selben Team, dass “Ring” produziert hat, und man darf gespannt sein, wie er sich demnächst in der Öffentlichkeit schlagen wird. Three (2002, R: Peter Chan Ho-San, Kim Jee-Woon, Nonzee Nimibutr): Bei diesem Exemplar handelt es sich um eine Sammlung von drei Kurzfilmen, die jeweils von drei Unterschiedlichen Regisseuren gedreht wurden, die wiederum aus drei unterschiedlichen Ländern kommen: Süd-Korea, Thailand und Hong Kong. Alle drei Filme behandeln das Leben nach dem Tod und unterscheiden sich stillistisch völlig voneinander, ebenso wie die verschiedenen kulturellen Einflüsse zu sehen sind. Summasumarum ein sehr, sehr interessantes Werk (bzw. Werke), die an unter der offiziellen Homepage ein wenig mehr studieren kann … naja, für uns leider nur optisch, den die sehr gruselig gemachte Page ist leider nur auf asiatisch. Aber dafür gibt`s ja `n Trailer ;-) Spiral (2000, R: Higuchinsky): Ein ganz, ganz besonders experimentieller Film aus den asiatischen Kreisen ist “Spiral”, auch unter den Namen “Uzumaki” oder “Vortex” bekannt, bei dem es sich eigentich auch nur um das dreht, was der Titel verrät: Spiralen. Das merkwürde dabei ist nur, das der Film keine konkrete Geschichte hat und es auch keine Dialoge gibt, die in irgendeiner Weise zu den dargestellten Emotionen beitragen. Der Film beschränkt sich lediglich auf seine Optik, allein durch visuelle Darstellungen wird eine sonderbare Stimmung erzeugt, die sich um Spiralen dreht. Selbstverständlich gibt es auch Menschen in dem Film, aber sie tun im Grunde genommen nichts anderes als durch Spiralen verrückt werden. Der Zuschauer hingegen wird es nicht. Im Gegenteil: Die visuellen Effekte in dem Film sind sehr beeindruckend und mit Sicherheit auch etwas, was in einem Film noch nicht gemacht wurde. Raffinierte Farbschemata und Kameratricks wissen zubegeistern, womit der Film auch eine Sonderstellung bei den Filmkritikern einnimmt: Trotz nahezu nicht vorhandener Story und starker Verwendung von Spezialeffekten bleibt “Spiral” ein künstlerisch hochwertiger Film. So gesehen ist das hier auch keine gewöhnliche Filmunterhaltung, was nicht hießen soll, dass sie uninteressant ist. Das ist eine kleine Auswahl an Horrorfilmen aus dem asiatischen Raum. So langsam aber sicher gewinnen solche Filme mehr und mehr Aufmerksamkeit in der Welt und gerade Leute aus der Szene wie ich dürfen auf weiter Entwicklungen gespannt sein. Und ihr, liebe Leser, vielleicht auch …